Gatterstädter Schäferburg

Die Existenz der Burg wurde lange Zeit und wird z. T. noch heute angezweifelt. War die Burg nun Sommersitz der Schraplauer, Schafstall in einer verlassenen Ruine oder doch stattliche Burg des stolzen Ritters Werner von Schraplau? Nun einige Hinweise dazu…

 

 

* Wo befand sich die Schäferburg?

 

Das einzige zeitnahe Dokument, welches Werners Burg erwähnt, die Vita Paulina von Sigeboto (um 1130), wurde erst 1889 wiederentdeckt. Sigeboto erwähnt „Werinherus … castrum qui Gatersteden“ (Werners Burg bei oder in Gatterstedt), es gibt aber keine nähere lokale Angabe. Erstaunlich ist, dass er mit dem lateinischen Begriff „castrum“ nicht nur einen befestigten Platz, Burg, verwendet. Letztlich bezeichnete dieser Begriff früher auch ein römisches Feldlager.

 

Professor Dr. Größler (1840-1910), der führende Heimatforscher, konnte in seiner frühen Schaffensperiode über die Schäfersburg nur insofern Auskunft geben, dass die alten Flurnamen „Alte und Neue Schäfersburg“ darauf hinweisen könnten. Spätere Autoren zeigen ein genaueres Bild. So sieht R. Jaeckel in seiner Erzählung über „Die Schäferburg bei Gatterstedt“ diese 5 Kilometer nordnordwestlich von Querfurt. Andere Buchautoren sehen sie 3 Kilometer westlich von Gatterstedt entfernt. Der in einer Quelle mit 300 m genannte Abstand vom Dorf bezieht sich wohl eher auf den Abstand zwischen alter und neuer Schäferburg bzw. meint die 1582 in einem Dokument des Rittergutsbesitzers von Berlepsch erwähnte Burg nahe dem Ort Gatterstedt. Die Berichte von Funden von Waffen und anderen Gegenständen durch Krug von Nidda, 1829 publiziert in einem kleinen Greizer Verlag, der im Original vorliegt, benennt das 1828 gerodete Herzogliche Holz, also dort, wo heute noch die 1867 gebaute Straße nach Winkel über den Schlangenhügel verläuft.

 

Verschiedene alte und neuere Karten verzeichnen den geografischen Punkt „Schäferburg“ (263,5 m) nördlich des „Schlangenhügels“ (264 m). Neuß erwähnt in seinen „Wanderungen“ die Schäferburg neben der Gatterstedter Warte, der Spielburg (Alberstedt) und der Kranzburg als Wehrbauten im Burgwartbezirk Cucunburg. Interessant sind die in den Flurbüchern aus dem späten 17. und Mitte des 18. Jahrhundert gemachten Aussagen, die neben den Gewenden noch die alten Flurnamen zuordnen: Schäferburg = Gewende 3, Ackernummern 105-108 westlich vom Ort; Gatterstedter Warte = Gewende 3, Ackernummern 240/271 nordwestlich vom Ort.

 

Der Wach, Wachs-, Wachthügel östlich vom Ort = Gewende 6, Ackernummer 128/150 bzw. Gewende 7, Ackernummer 1 hat einen anderen früheren historischen Hintergrund.

 

Vielsagend ist auch, dass Größler in seinen Karten der Mansfelder Gebirgskreise die Alte und Neue Schäferburg nicht nur positioniert, sondern diese auch als Burg mit dem entsprechenden Symbol ausweist.

 

 

* Warum wurde die Burg gebaut?

 

Der Bau einer Burg war früher eine logistische und kostspielige Angelegenheit. Es ist schwierig vorstellbar, dass dort, wo jetzt relativ flaches oder zumindest hügliges Land vorherrscht, eine Burganlage gestanden haben soll. Dabei weisen alte Landkarten durchaus beachtliche Höhenunterschiede aus. Nach Berichten waren selbst zu Beginn des Zweiten Weltkrieges noch Schluchten und Abhänge dort zu finden. Zudem waren nicht wie heute 30 % der Fläche mit Wäldern, im 11. Jahrhundert fast 90 % mit solchen bedeckt. Die Gründe für die Errichtung einer Burg genau an dieser Stelle liegt mit großer Wahrscheinlichkeit an der strategischen Bedeutung des Standortes. Was der Leser oft vergisst: Zu jener Zeit beherrschten undurchdringliche Urwälder, Seen, Bäche und Sümpfe unsere Gegend dort. Nicht die heutigen Straßen, andere frühere alte Handelswege waren die Verkehrsadern jener Zeit und bis zur Separation Mitte des 19. Jahrhunderts wichtig. Solche Heerstraßen, die Autobahnen jener Zeit, verliefen, nach Karten u.a. von Prof. Größler und Grimm, von West nach Ost und Süd nach Nord schon im 1. Jahrhundert bei Gatterstedt. Selbst Heinrich II. nutzte bei seiner Reise 1019 von Allstedt nach Magdeburg mit seinem Aufenthalt in Gatterstedt diese Routen. Der Weg verlief damals aus der Goldenen Aue über Allstedt an Winkel vorbei kommend, die kleine moderate Steigung empor, dann unterhalb des Schlangenhügels entlang zur Eisenbahn durch Gatterstedt in Richtung Querfurt, Merseburg und Meißen. Dieser Weg am Schlangenhügel ist auch heute noch in Satellitenbildern zu erkennen. Der direkte Weiterweg durch das Rohnetal war, bis zu ihrer Trockenlegung durch die Sittichenbacher Mönche Mitte des 12. Jahrhunderts, durch Sümpfe versperrt. Das könnte die verkehrstechnische und strategische Bedeutung dieser Pforte, der Schäferburg und die des Ortes Gatterstedt in jener Zeit erklären.

 

 

* Wann und wer errichtete die Anlage bzw. warum heißt die Schäferburg „Schäferburg“?

 

Fragt man nach dem Ursprung der Burg, kann man trefflich spekulieren. Einen Beleg für die strategische Bedeutung unseres Ortes weist H. Tilgner in seiner „Incepta Ethnologica Genetica“ aus: „Da die slawische Landnahme durch Hohe Schrecke und Südharz aufgehalten wurde, haben sich in Nordthüringen ältere Ortsnamen erhalten…. Noch weiter östlich liegt Gatterstedt unterhalb eines Berges direkt an der westlichsten Grenze slawischer Siedlung.“ Gatterstedt war ein Vorposten, eine Art kleiner Brückenkopf, slawischer Besiedlung in fränkischem und sächsischem Gebiet. Eigentlich siedelten die Slawen ansonsten bis zur Elbe und Saale. Teglitz (das alte Döcklitz) und Nakkerissen sind slawische Siedlungen. Tilgner sieht nebenbei den vorderen Teil unseres Ortsnamens „Gatter“ ursprünglich im slawische Wort „Gandor“ (Grat, Bergkamm, Pforte).

 

Von slawischer Präsenz zeugen auch Gräberfunde slawischer Kultur aus dem 8. Jahrhundert im März 1931 im Gatterstedter Trautmannschen Garten (durch Dr. Hülle und Dr. Grimm von der Landesanstalt für Vorgeschichte Halle) in unserem Ort. Dabei wurden Reihengräber slawischer Kultur aus dem 8. Jahrhundert gefunden. Es wird auch über reichhaltige Grabbeigaben berichtet.

 

An der Schäferburg wurden zudem durch Krug von Nidda Waffen und eine Vielzahl Hufeisen slawischer Pferde 1828 bei Rodungen entdeckt. Der Dichter und Heimatforscher sieht hier Anzeichen für eine Schlacht. Aber auch Kampfhandlungen um Werner von Schraplaus Burg sind denkbar.

 

Der Name Schäferburg könnte, wie nach Größler (in „Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen“, Halle 1895) für die bei Alberstedt gelegene Spielburg, aus einer Verderbung der lateinischen Wörter „specula“ für Warte oder Wartburg bzw. speculari für auskundschaften, spähen zurückzuführen sein. Größler weist auf Thietmar von Merseburg hin, der in seinem Chronicon die „satellites, dicti sclavonice Vethenici“, mit deutscher Bezeichnung „Cukenburgienses“ (Lib. V ad annum 1002 edid. Wagner p. 174) und die Bemerkung „Kukeburgienses illi ipsi sunt, qui Latinus speculatores, excubitores, custodes arcis vel burgi cuiusdam, Germanis alio veninnt“ „Burgwächter“, von lugen spricht. Auch das lateinische „Servare“ (bewachen, bewahren) könnte eine Erklärung geben und mit viel Mut eventuell auf römische Präsenz in den Jahren 32 v.u.Z. bis 23 hindeuten.

 

Die oben genannten Fakten und Funde deuten wohl eher auf eine Verderbung aus dem sla-wischen „Shapor“ (Riegel, Absperrung) zu den Slawen ins 7. und 8. Jahrhundert.

 

Das Thema birgt noch mehr Potential: War Werner von Schraplau‘s „Damaskus“ 1109 der wirkliche Grund für die Vernichtung der Schäferburg? Welchen Part spielten Heinrich V. und Paulina von Schraplau? Welche Rolle spielte die Schäferburg im April 1945?… Viele spannende Fragen und Diskussionsstoff für die Zukunft!

 

U. Zahn